Der erste Eindruck täuscht nicht: Diese Seite mit einem Artikel
über das Zürcher Schauspielhaus ist am 20. September in insgesamt elf Schweizer Zeitungen erschienen.
Gegen den medialen Einheitsbrei
Editorial aus ProgrammZeitung Oktoberheft 2021
22.9.2021
Sabine Knosala
Eine Tagung hat sich mit der Kulturberichterstattung
in der Krise auseinandergesetzt.
Ein Künstler erzählt in einem Video, dass früher drei Zeitungen an seinen Vernissagen anwesend waren, heute ist es nur noch eine – wenn überhaupt. Ein anderer sagt, dass er durch Vorschauen in den Medien viel mehr Publikum an seinen Ausstellungen habe als ohne, und eine Autorin meint, jede Rezension sei wichtig, auch eine negative, weil sie ihr Werk bekannt mache.
Die Video-Statements zur Eröffnung der Tagung «Kulturberichterstattung in der Krise», die das Bundesamt für Kultur und der Verband SwissFoundations Ende August in Solothurn organisiert hatten, waren eindeutig: Kultur-berichterstattung ist wichtig. Mehr noch, sie ist selbst Teil der Kultur, weil sie das Kulturschaffen nicht nur sichtbar macht, sondern sich auch kritisch damit auseinandersetzt. Auf diese Weise befruchtet die Kulturberichterstattung das Kulturleben und trägt zu dessen Fortbestand bei. Folge-richtig hat erst kürzlich eine Lokalzeitung im Kanton Luzern für ihre Kulturberichterstattung einen Kulturpreis erhalten.
Gleichzeitig nehmen Artikel über Kultur seit Jahren ab: Einerseits gibt es seit 2010 einen Drittel weniger Journalistinnen und Journalisten, die noch über Kultur berichten. Die Medienbranche ist unter Druck, viele Stellen wurden einfach «weggespart». Andererseits werden die gleichen Kulturartikel oft in mehreren Zeitungen veröffent-licht. Der Hintergrund: Immer mehr Blätter gehören den grossen Medienkonzernen. Daher wird in einer Zeitung meist nur noch der Regionalteil ausgetauscht, alles andere erscheint überall. Das führt laut Medienwissenschaftler Matthias Zehnder dazu, dass sich ein Kulturressort sehr genau überlegen muss, welche Inhalte sich schweizweit verwenden lassen. Die Wahl fällt auf Kulturthemen mit nationaler Bedeutung wie beispielsweise das neue Album eines bereits erfolgreichen Musikers. Der Effekt: Events oder Werke lokaler Kunstschaffender kommen aus Kostengründen nicht mehr vor und die Meinungsvielfalt, sogar bei national wichtigen Kulturthemen, bleibt auf der Strecke.
ProgrammZeitung berichtet seit 1987 lokal und unabhängig.
Diesem Trend stellt sich die ProgrammZeitung entschieden entgegen: Seit 1987 berichtet sie über das Kulturleben in der Region Basel, und zwar unabhängig und aus eigener Kraft – ohne einen Medienkonzern im Rücken. Die für die ProgrammZeitung geschriebenen Artikel erscheinen nur bei uns. Auf diese Weise dient die ProgrammZeitung als wichtige Plattform für das regionale Kulturschaffen und wirkt dem medialen Einheitsbrei auf nationaler Ebene entgegen.
Das zeigt sich auch in der vorliegenden Ausgabe: Wir
haben drei Basler Kulturbetriebe unterschiedlicher Sparten gefragt, wie sie die Herausforderungen der vierten Coronawelle meistern. Ein weiterer Schwerpunkt ist dem Design gewidmet: Design von Frauen, Design für Frauen und eine Messe, an der man Design kaufen kann, werden beleuchtet – selbstverständlich mit regionalem Bezug. Weitere Artikel über Film, Musik, Theater, Literatur und Kunst in und aus dem Raum Basel runden den redak-tionellen Teil ab. Daher wünsche ich Ihnen nun viel Spass beim Schmökern!
PS: Mittlerweile greifen einige Kulturbetriebe mangels medialer Berichterstattung sogar zur Selbsthilfe. So organisiert das Sinfonieorchester Basel seit September selber Kritikerrunden, die dann als Podcast auf seiner Website veröffentlicht werden.