Sogar Theater Zürich: «Und dann fing das Leben an»,
Foto: © AyseYavas
ProgrammZeitung aus dem Januarheft 2023, S. 14
Aufbruch in ein selbstbestimmtes Leben
Dagmar Brunner
Eine Ausstellung und ein Theaterstück thematisieren Migrationsgeschichte(n) zwischen der Schweiz und der Türkei.
Arbeitsuchende aus der Türkei durften früher nur dann in die Schweiz einreisen, wenn sie bereits eine Stelle oder eine Aufenthaltsbewilligung vorweisen konnten. Anders als mit Italien (1946) und Spanien (1961) schloss die Schweiz nie ein Anwerbeabkommen mit der Türkei ab. Zu fremd galten der Gegnerschaft Kultur und Religion. Dies bekamen auch die Männer zu spüren, die ab den 1960er-Jahren als «Gastarbeiter» in die Schweiz kamen, sowie ihre Familien. Was das konkret heisst, lässt sich nun in einer Ausstellung und einem Bühnenstück erleben. Beide basieren auf Ideen und Recherchen der Fotografin Ayse Yavas und der Kuratorin und Ethnologin Gaby Fierz.
Ayse Yavas wurde 1969 in Brugg geboren, war schon früh fotografisch unterwegs und ist vor allem mit ihren Porträts von Schweizer Schreibenden bekannt geworden. Mit 16 zog sie von zu Hause aus und interessierte sich erst viel später für die Migrationsgeschichte(n) ihrer Eltern. Diese wohnten und arbeiteten 38 Jahre lang im Kanton Aargau, bevor sie 1997 in die Türkei zurückkehrten. Wie erging es ihnen und weiteren Familien, als sie in die Schweiz migrierten? Was erhofften sie sich, und wie denken sie heute darüber? Wie haben ihre Kinder die Situation erlebt? Und was bedeutet es aktuell für die Enkelkinder?
Grenzüberschreitende Recherchen.
Ayse Yavas und Gaby Fierz starteten eine gross angelegte Spurensuche in der Schweiz und der Türkei. Aus rund 65 Stunden Oral History Interviews mit Familienangehörigen und deren Freundes- und Bekanntenkreis, zahlreichen privaten Fotoalben, aktuellen Porträts der Interviewten und Fotografien der diversen Lebensräume kreierten sie eine informative und bewegende Schau (Deutsch-Türkisch). Erzählt wird von der Arbeit in Industriebetrieben und dem Aufwachsen in Neubausiedlungen, von Trennungsleid und Anpassungsdruck, Diskriminierung und Heimweh, von Reisestrapazen und Freizeitvergnügungen, von Solidarität und Mut, von Innovation und Erfolg. Zudem gestaltete Ayse Yavas ein persönliches «Album-Albüm» mit Fotografien, Texten und Zeichnungen. Weitere Einblicke gewährt der «Kiosk» mit zehn Bildschirmen, an dem man Albumfotos anschauen und den Erzählungen der Interviewten lauschen kann.
Das Gastspiel des Sogar Theater Zürich (Regie Ursina Greuel) wurde ausgehend von den Oral-History-Interviews realisiert. Bei der Betrachtung eines Fotoalbums schildern drei Frauen aus drei Generationen ihre zum Teil widersprüchlichen Erfahrungen, die immer auch geprägt sind von der durchaus fragwürdigen Schweizer Migrationspolitik.
Ausstellung «Und dann fing das Leben an»: Sa 14.1., 17.30 (Vernissage), bis So 12.3., kHaus Basel
Aussenstation «Kiosk»: Sa 14. bis Di 31.1., Klara Basel,
Mi 1.2. bis Do 23.2., Kantonsbibliothek BL, Liestal,
www.unddannfingdaslebenan.ch
Sogar Theater Zürich, «Und dann fing das Leben an»: Sa 14.1., 20 h, und So 15.1., 19 h, Kaserne Basel, www.kaserne-basel.ch