Die Komponistin Anda Kryeziu, Foto: Jetmir Idrizi
ProgrammZeitung aus dem Märzheft 2023, S. 14
Stimme und Schweigen
Jaronas Scheurer
Anda Kryeziu bringt Ingmar Bergmans Kultfilm
«Persona» auf die Bühne des Gare du Nord.
Zwei Frauen leben zusammen in einer Villa am Meer. Eine davon, die Schauspielerin Elisabeth Vogler, schweigt. Die andere, die Krankenpflegerin Alma, die Elisabeth betreut, spricht. Aus dieser Grundsituation entspinnt sich im Kultfilm «Persona» des schwedischen Regisseurs Ingmar Bergman aus dem Jahr 1966 ein komplexes, psycho-logisches Drama.
Die Komponistin Anda Kryeziu hat sich zusammen mit der Regisseurin Caterina Cianfarini und der Dramaturgin Meret Kündig diesem Stoff angenommen, um daraus ein Musik-theater für das Theater Basel zu komponieren, das nun im Gare du Nord aufgeführt wird. Doch wo liegt für Kryeziu der Reiz, gerade diesen Stoff zu vertonen? «Mich interes-sierte der Zusammenhang von Schweigen, Stimme und Identität», erklärt die 30-jährige Komponistin. «Die Stimme ist ein wichtiges Werkzeug für die Identität. Man hört an meiner Stimme, wie alt ich etwa bin, welches Geschlecht ich habe und dass Deutsch nicht meine Muttersprache ist.»
Was passiert nun, wenn bei jemandem die Stimme wegfällt? In «Persona» hat das Schweigen von Elisabeth, dargestellt von Alice Gartenschläger, unterschiedliche Bedeutungen: passive Aggressivität, Auslöser für intime Geständnisse von Alma, Langeweile, Machtdemonstration. Das Schweigen ist in der Geschichte Auslöser für die Ereignisse zwischen den beiden Frauen. Und es dient auch als Auslöser für die musikalischen Geschehnisse. Anda Kryeziu stellt dabei die Stimme der Sängerin Álfheiður Erla Guðmundsdóttir, die Alma spielt, ins Zentrum. Sie mani-puliert, dekonstruiert und verzerrt die Stimme mit elektronischen Mitteln. Sie lässt die Stimme im Raum und in den vier Instrumenten (Perkussion, Gitarre, Cello und Kontrabass) widerhallen. Und mittels Loops und des Wiederaufnehmens des Raumklangs tritt die Stimme in einen Dialog mit sich selbst.
Reflexion über Identität.
Stimme und Schweigen stehen bei Bergman und im Musiktheater von Anda Kryeziu im Zentrum. Dass Alma durch den Aufenthalt bei Elisabeth immer mehr mit ihrem schweigenden Gegenüber verschmilzt, wird von Kryeziu geschickt durch das musikalische Spiel mit der mensch-lichen Stimme verwirklicht. So entspinnt sich eine Reflexion über unsere menschliche Identität. Ist unsere Stimme wirklich Ausdruck unserer Person oder nur eine Maske, die wir aufhaben? Bei Anda Kryeziu und ihrem Team wird dies nicht nur intellektuell durchdacht, sondern auch voller packender Energie und in faszinierenden Klangwelten umgesetzt.
Theater Basel, «Persona»: Premiere Sa 4.3., 20 h, Gare du Nord, www.garedunord.ch