Simone Lappert, Foto: Ayse Yavas/© Diogenes Verlag
ProgrammZeitung aus dem Maiheft 2023, S. 15
«Eine sehr freie Form»
Stefan Boss
Die einzige Regel ist, dass es in der Lyrik erstmal keine Regel gibt: Das sagt Autorin Simone Lappert, Präsidentin der Gruppe, die das Lyrikfestival Basel kuratiert.
Lyrik, ist das nicht längst passé?
Simone Lappert: Lyrik ist aktueller denn je! Am inter-nationalen Lyrikfestival in Basel versuchen wir, die ganze Bandbreite der Lyrik zu zeigen – sei sie experimentell, transdisziplinär oder eher klassisch. Lyrik ist eine sehr freie Form.
Wer liest heute noch Gedichte?
Erstaunlicherweise viele Menschen, gerade auch jüngere. Die Lyrik-Szene öffnet sich vielerorts hin zum Spoken Word, zu experimentellen Formen und auch ins Musikalische.
An Ihrem Festival gibt es einen Schwerpunkt zu
«Stimmen im Krieg» mit Gedichten aus der Ukraine,
dem Iran und Kurdistan. Was kann Lyrik gegen Krieg ausrichten?
Wir möchten versuchen, genau dies zusammen mit Vertretenden dieser Länder am Festival herauszufinden.
Ich fände es anmassend, das als Schweizer Lyrikerin zu beantworten.
Schülerinnen und Schüler haben im Vorfeld einen Workshop durchgeführt und werden ihre dort
entstandenen Texte am Lyrikfestival präsentieren.
Welche Idee steckt dahinter?
In der Lyrikgruppe finden wir es toll und wichtig, dass sich Schülerinnen und Schüler mit Lyrik auseinandersetzen. Dass sie die Möglichkeit bekommen, Gedichte von innen heraus zu verstehen, indem sie selbst welche schreiben. Das hilft, Berührungsängste abzubauen, die teilweise auch im Unterricht entstehen.
Haben Sie auch schon Workshops in Schulen durchgeführt?
Ja. Das war immer sehr spannend. Am Anfang sage ich jeweils: Die einzige Regel, die es gibt, ist, dass es erstmal keine Regel gibt. Wenn sie die erste Skepsis überwunden haben, macht es ihnen meist grossen Spass. Die Resultate solcher Workshops haben mich jeweils sehr berührt und zum Schmunzeln gebracht.
Am Festival soll auch transdisziplinäre Lyrik präsentiert werden …
Es geht um Lyrik, die den Austausch sucht mit der bildenden Kunst, mit der Musik und der Perfomance.
Im Format «Late Night Varieté» treten Lyrikerinnen und Lyriker auf, die sich nicht so einfach schubladisieren
lassen und den Rahmen der klassischen Lyrik ausdehnen und hinterfragen.
Versuchen Sie, mit dem Festival die Lyrik aus dem
stillen Kämmerlein herauszuholen?
Ja, ich denke, dies versuchen alle Festivals. Es geht auch darum, die Vorurteile gegenüber der Lyrik abzubauen. Etwa, dass sie kompliziert und verstaubt sei. Wir möchten aufzeigen, welche tollen verschiedenen Formen es gibt und wie viel Lyrik auszudrücken und zu bewegen vermag.
Sie schreiben sowohl Gedichte als auch Romane. Wie begannen Sie, mit Lyrik oder mit der erzählenden Form?
Schon in meinen ersten Schuljahren verfasste ich Gedichte und kleine Erzählungen. Für mich gehört beides zusam-men. Ich weiss im Voraus oft nicht, welche Form ein Text annehmen wird. Manchmal pflanzen sich Themen aus meinen Romanen auch fort und fliessen in meine Gedichte ein: Dort kann ich sie unter dem Mikroskop betrachten.
Lyrikfestival Basel: Do 4.5. bis So 7.5., Literaturhaus Basel, Schauspielhaus Theater Basel, www.lyrikfestival-basel.ch
Ausserdem: Geführter Rundgang «Lebendige Lyrik»: Do 4.5., 18 h, Anmeldung auf www.literaturspur.ch