Anna Thommen, Foto: Lucia Hunziker, Zurich Filmfestival
ProgrammZeitung aus dem Juniheft 2022, S. 9
«Ich will gute Geschichten erzählen»
Dagmar Brunner
Als wir uns kürzlich zufällig im Foyer der Kultkinos begegnen, hat Anna Thommen ihre Kinder (fünf und neun Jahre) dabei, doch ihr Besuch gilt nicht einem Film, sondern dem Comix Shop. An beiden Orten geht es ums Erzählen – und das ist Thommen auch in ihrer eigenen Arbeit als Filmemacherin wichtig, gerade beim Dokumentarfilm. Ohnehin mag sie keine strikte Trennung zwischen Fiktion und Realität, vielmehr müssten sich die Fakten einer guten Story unterordnen. Ideen für einen Spielfilm hat sie zwar schon lange, aber immer wieder kamen drängende Themen auf sie zu, und so blieb es bisher bei fünf Dokumentarfilmen: «Second me» (2008), «Ein Stück Wahnsinn» (2013), «Neuland» (2013), «Volunteer» (2019) und das mit fünf weiteren Filmerinnen realisierte Gemeinschaftswerk «Les Nouvelles Èves/Heldinnen des Alltags» (2021). Für ihre Arbeiten erhielt sie mehrere renommierte Preise.
In Anna Thommens Filmen treffen wir auf Menschen, deren Lebensgeschichten brisante gesellschaftliche Themen spiegeln, vom Abdriften in digitale Welten und dem Umgang mit psychischen Problemen über die Herausforde-rungen von Migration und Integration bis zum Engagement für Flüchtlinge und emanzipatorisch-feministischen Anliegen. Im nächsten Filmprojekt wird sie sich unter anderem mit Rassismus beschäftigen. Abgesehen davon setzt sie sich für Frauenquoten und die Stärkung des nationalen Filmschaffens ein.
Subtile Filmsprache.
Anna Thommen kam 1980 in Arlesheim zur Welt und wuchs mit einer älteren Schwester in Maisprach auf. Schon als Kind zeichnete sie viel, spielte Klavier und wollte Schauspielerin werden. Ohne Begeisterung liess sie sich zunächst zur Primarlehrerin ausbilden, sammelte Erfahrung, ging auf Reisen und verfolgte ihre Theaterpläne weiter. Doch das Schreiben, Inszenieren und Arbeiten nach eigenen Vorstellungen sagten ihr bald mehr zu als das Spielen. Im Vorkurs an der Schule für Gestaltung in Basel entdeckte sie das Filmen und ging zur Weiterbildung nach Luzern. 2013 schloss sie mit dem Master in Filmregie an der Zürcher Hochschule der Künste ab, wo sie seit 2019 auch unterrichtet und soeben zum ersten Mal Studien-bewerbungen mit ausgewählt hat (15 von 106 wurden aufgenommen). Ihr grosses Vorbild ist die neuseeländische Regisseurin Jane Campion.
Seit 2015 wohnt Anna Thommen in Riehen und vereint Familie und Beruf mit Unterstützung ihres freiberuflichen Partners und ihrer Eltern. Sie schätzt sowohl die Natur- wie die Stadt- und Grenznähe der Gemeinde und erhält nun deren Kulturpreis 2021 (verliehen 2022) für ihre feinsinnige Filmsprache, mit der sie sich kritisch und empathisch, humor- und hoffnungsvoll für eine tolerante Gesellschaft engagiert.
Verleihung Riehener Kulturpreis: Do 30.6., 18 h, MUKS – Museum Kultur & Spiel Riehen